Warum entstehen schwierige Führungspersönlichkeiten?
Es ist Donnerstag, 18:45 Uhr. Du starrst auf deine E-Mails und denkst: „Wie kann ein Mensch so unberechenbar sein?“ Gestern war dein Chef noch zufrieden mit deinem Projekt. Heute zerreisst er es in der Luft – vor dem ganzen Team.
Du gehst nach Hause und grübelst: „Was habe ich übersehen? Was habe ich falsch gemacht?“ Und dann meldet sich dieser vertraute innere Kritiker: „Siehst du? Du checkst es einfach nicht. Andere kommen mit ihm klar.“
Nach über 20 Jahren in führenden Beratungsunternehmen kenne ich diesen inneren Dialog nur zu gut. Ich dachte jahrelang: Das Problem bin ich. Ich bin zu empfindlich. Andere schaffen es doch auch, mit schwierigen Chefs umzugehen – warum ich nicht?
Toxische Führung ist kein Einzelfall.
Was ich in über zwei Jahrzehnten erlebt habe, war kein Zufall. Diese Erkenntnis entstand durch das Beobachten von Mustern – immer wieder die gleichen Dynamiken, in verschiedenen Teams, verschiedenen Ländern, verschiedenen Unternehmen.
Die Antwort auf diese Frage kann dich schützen – auch wenn du die Strukturen nicht ändern kannst.

Beobachtung 1: Wie toxische Führung systematisch gefördert wird
Falsche Beförderungskriterien in der Führungsentwicklung
Laut dem Better Management Report 2023 haben 52 % der Führungskräfte keine Qualifikationen in Management und Führung. Nach 20+ Jahren in drei der größten Beratungsunternehmen kann ich bestätigen: Diese Statistik überrascht mich nicht.
Als Pursuit Managerin habe ich erlebt, dass Beförderungen in der Beratungsbranche oft wenig mit echter Fachkompetenz zu tun hatten. Toxische Chefs entstehen oft durch ein System, das die falschen Eigenschaften belohnt:
- Wer laut genug war, gut vernetzt oder Umsatz brachte, kam weiter
- Soziale Kompetenz und Teamfähigkeit blieben auf der Strecke
- Teilweise wurden Menschen befördert, weil niemand anderes verfügbar war
Das war mein erster Aha-Moment: Leistung wurde mit Lautstärke verwechselt – und die stillen Leistungsträger blieben unsichtbar. Natürlich gab es auch positive Führungsvorbilder, aber das System begünstigt systematisch andere Typen.
Das Up-or-out-Prinzip: Wie toxische Führungskräfte entstehen
Beratungsunternehmen funktionieren nach einem klaren Prinzip: Entweder du steigst auf oder du gehst. Diese Struktur hat direkte Auswirkungen auf die Art von Menschen, die langfristig im System bleiben und zu Führungskräften werden.
Menschen, die stark kooperativ sind, anderen gerne helfen oder Work-Life-Balance priorisieren, haben in solchen Systemen oft Nachteile. Was ergibt sich daraus: Toxische Führung wird so systematisch gefördert.
Messbare Leistung vs. Führungsqualität
Der Fokus auf reine Zahlen verstärkt problematische Führung. Ich war in einem Bereich tätig, der nicht direkt auf Kundenprojekte verrechnet wurde, und habe aber hautnah erlebt, wie stark der Spardruck auf die abrechenbaren Teams lastete.
Dieser Spagat zwischen Performance und Qualität führt zu toxischen Führungsstilen:
- Überstunden werden erwartet, aber nicht erfasst
- Qualität leidet unter Zeitdruck
- Führungskräfte geben Druck ungefiltert weiter
Aussenwirkung wichtiger als echte Führungskompetenz
Einer meiner Kollegen war beim Kunden der Star – charmant, souverän, glänzend im Aussenauftritt. Intern hingegen war er eine Katastrophe: beleidigend, unberechenbar, ohne jedes Führungsvermögen. Trotzdem wurde er befördert und bekam ein Team, das nach und nach auseinanderbrach.
Fazit: Menschen in Führungspositionen haben ihre Rolle oft nie wirklich gelernt – und wollten es häufig auch gar nicht. Meist haben sie auch gar keine Zeit für „sowas“.

Beobachtung 2: Warum toxische Führung unentdeckt bleibt
Strukturelle Gründe für toxische Chefs
Eine MIT-Studie von 2022 zeigt: Toxische Unternehmenskultur ist der stärkste Prädiktor für hohe Fluktuation – stärker als Burnout oder Gehalt. Trotzdem wird das Problem systematisch ignoriert.
Die Hauptgründe, warum toxische Führung unentdeckt bleibt:
HR kann toxische Führungskräfte nicht stoppen
HR-Abteilungen stehen vor einem unlösbaren Dilemma: Sie sind Angestellte, während problematische Führungskräfte oft Umsatzverantwortung tragen. Wenn jemand schwierig ist, aber gleichzeitig wichtige Kunden betreut, entstehen komplexe Abwägungssituationen.
Beschwerden über schwierige Partner wurden oft mit Sätzen wie „Das ist halt sein Stil“ oder „Er bringt nun mal Ergebnisse“ abgetan.
Die Botschaft war klar: Solange die Zahlen stimmen, wird weggeschaut.
Erfolgreiche toxische Führung wird belohnt
Eine McKinsey-Studie von 2020 bestätigt: 75% der Befragten sagen, dass ihr direkter Vorgesetzter der stressigste Aspekt ihrer Arbeit ist. Trotzdem passiert meist wenig.
Die Kosten toxischer Führung sind enorm: Studien zeigen, dass toxische Führung jährlich über 300 Milliarden Dollar an stressbedingten Kosten in den USA verursacht (Pfeffer, 2018).
Ich habe Partner erlebt, die Teams systematisch unter Druck setzten, aber dabei ihre Ziele erreichten. Diese wurden nicht nur nicht zur Rechenschaft gezogen – sie wurden oft als „tough performer“ gefeiert.
Wer gilt als „schwierige“ Mitarbeiter?
Besonders perfide ist, wer als „schwierig“ gilt: Oft sind es Menschen, die zu viele kritische Fragen stellen, Grenzen einfordern oder Widerspruch äussern.
Ich habe erlebt, wie kompetente Frauen als „nicht teamfähig“ galten, weil sie toxisches Verhalten nicht stillschweigend hinnahmen. Während die eigentlichen Verursacher der Probleme weiter ungestört agieren konnten.

Beobachtung 3: Toxische Führung in Deutschland vs. Schweiz
Kulturelle Unterschiede bei toxischer Führung
Als ich von Berlin nach Zürich wechselte, musste ich lernen, dass direkte Worte nicht überall gleich ankommen. In Berlin war meine Klarheit willkommen, sie wurde als konstruktiv, effizient und qualitätssteigernd wahrgenommen.
In Zürich hingegen galt dieselbe Direktheit schnell als forsch und unbequem. Was ich als ehrliches Feedback meinte, wurde als Angriff gewertet – und nach wenigen Wochen landete bereits die erste Beschwerde auf dem Tisch meines Vorgesetzten.
Schweizer Harmonie-Kultur versteckt toxische Führung
In der Schweiz wird es selten laut. Stattdessen werden problematische Dynamiken oft subtiler ausgetragen. Kritik wird als „unschicklich“ betrachtet, Widerspruch als Störung der Harmonie.
Das macht es für Betroffene schwieriger, toxisches Verhalten zu benennen.
„Es war ja alles so höflich“/“Es hat nie jemand etwas gesagt“ – aber trotzdem fühlst du dich nach Gesprächen oft kleiner.
Toxische Führung: Besondere Herausforderungen für Frauen
Beide Kulturen haben zusätzlich spezifische Herausforderungen für Frauen in Führungspositionen – aber die Mechanismen unterscheiden sich grundlegend.
Deutschland: Das Double-Bind für Frauen In Deutschland wird direktes Feedback geschätzt – aber bei Frauen manchmal als „zu aggressiv“ interpretiert. Derselbe Kommunikationsstil, der bei männlichen Kollegen als „entscheidungsfreudig“ gilt, wird bei Frauen schnell als „schwierig“ abgestempelt.
Frauen stehen daher vor einem unlösbaren Dilemma:
- Zu soft = führungsschwach
- Zu direkt = unsympathisch
Schweiz: Subtile Diskriminierung
In der Schweiz werden traditionelle Rollenbilder subtiler, aber hartnäckiger aufrechterhalten. Die Diskriminierung funktioniert über implizite Erwartungen:
- „Eine gute Mutter würde doch nicht so viel reisen“
- „Sie wird sicher bald wieder schwanger“
- „Frauen sind halt emotionaler“
Das perfide System: In beiden Kulturen werden Frauen, die toxisches Verhalten nicht stillschweigend hinnehmen, oft als „Problemfälle“ dargestellt.
👉🏻 Während toxische männliche Führungskräfte mit „Das ist halt sein Stil“ entschuldigt werden, gelten Frauen, die Grenzen einfordern, als „schwer zu handhaben“.
Mein Wendepunkt: Ausstieg aus toxischen Führungsstrukturen
Warum ich die Corporate-Welt verlassen habe
2023 habe ich die Corporate-Welt verlassen. Nicht wegen eines einzelnen dramatischen Erlebnisses, sondern wegen einer Erkenntnis: Ich wollte lieber Teil der Lösung sein, nicht des Problems.
Der finale Auslöser: Eine Führungskraft, die bekannt dafür war, Menschen systematisch fertigzumachen – und die dabei von oben gedeckt wurde. Ich habe erlebt, wie Kolleginnen weinend aus Meetings kamen, und dann irgendwann klar gesagt, dass ich mit dieser Person nicht mehr zusammenarbeiten werde. Als folgende Konsequenz kam dann ein Downgrade in der Performance.
Und die Reaktion meines Vorgesetzten: „Du musst ja mit dieser Person keinen Kaffee trinken gehen.“
Mir wurde klar, dass sich nichts ändern würde – also bin ich gegangen. Nicht, weil ich aufgegeben habe, sondern weil ich entschieden habe, meine Werte höher zu setzen als meine Karriere.

Lösungen gegen toxische Führung: Was wirklich helfen würde
Warum sich toxische Führung nicht ändert
Eine Gallup-Studie von 2023 zeigt: Manager sind für 70% der Varianz im Mitarbeiterengagement verantwortlich. Nur 32% der Mitarbeiter sind tatsächlich engagiert.
Die Lösungen gegen toxische Führung sind bekannt – aber sie werden nicht umgesetzt.
Konkrete Massnahmen gegen toxische Führung
1. Führung als eigenständige Kompetenz behandeln
Statt automatisch die besten Fachkräfte zu Managern zu machen, müssten Unternehmen Führung als separaten Karriereweg etablieren. Das würde bedeuten: eigene Ausbildung, eigene Bewertungskriterien, eigene Laufbahn.
2. 360-Grad-Feedback mit echten Konsequenzen
Nicht die üblichen anonymen Umfragen, die im Nirgendwo verschwinden. McKinsey empfiehlt: Führungserfolg zu 30% an Mitarbeiterzufriedenheit messen und in Bonusstrukturen integrieren.
3. Unabhängige Ombudsstellen gegen toxische Führung
Externe Anlaufstellen für Führungsprobleme, die nicht der HR-Abteilung unterstehen. Diese könnten anonyme Beschwerden sammeln, Muster erkennen und direkt an Board-Level berichten.
Warum Veränderungen nicht passieren
Das Gefangenendilemma toxischer Führung: Jeder weiss, was zu tun wäre, aber niemand will als Erster den ersten Schritt machen. Die Menschen, die heute von toxischen Strukturen profitieren, sind genau die, die über Veränderungen entscheiden.
Aber der Druck wächst: Meine 26-jährige Tochter würde niemals schweigend ertragen, was meine Generation hingenommen hat. Gen Z und junge Millennials haben andere Erwartungen an Führung und sind bereit zu gehen, wenn die Werte nicht stimmen. Es bleibt abzuwarten, ob und wie sich diese Generation einbringen wird.

Schutzstrategien: Wie du mit toxischer Führung umgehst
Frühe Warnsignale erkennen
McKinsey-Forschung von 2021 zeigt: „Uncaring and uninspiring leaders“ sind einer der Top-3-Kündigungsgründe. 36% derjenigen, die kündigten, hatten keinen neuen Job – ein Zeichen für die Verzweiflung vieler.
Systemverständnis als Schutz vor toxischer Führung: Wenn du verstehst, warum bestimmte Führungsdynamiken entstehen, hörst du auf, die Schuld bei dir zu suchen. Das ist bereits ein grosser Schutz.
Praktische Strategien gegen toxische Chefs
Früherkennung toxischer Führung:
- Achte auf die Unternehmenskultur schon im Bewerbungsprozess
- Beobachte, wie mit schwierigen Situationen umgegangen wird
- Frage gezielt nach Führungsentwicklung und Feedback-Kultur
Strategische Optionen bei toxischer Führung:
- Baue Netzwerke auch ausserhalb deines direkten Umfelds auf
- Entwickle kontinuierlich berufliche Alternativen
- Dokumentiere problematisches Verhalten – falls du es später brauchst
Was du aus toxischer Führung lernen kannst
Mit dem Wissen von heute hätte ich früher erkannt: Es ist nicht meine Aufgabe, dysfunktionale Systeme zu reparieren. Es ist meine Aufgabe, mich zu schützen und meinen eigenen Weg zu gehen.
Meinem jüngeren Ich würde ich sagen: „Hör auf zu glauben, dass du das Problem bist. Anpassung an toxische Strukturen ist kein Zeichen von Stärke.“
FAQ: Häufige Fragen zu toxischer Führung
Wie erkenne ich toxische Führung?
Toxische Führung erkennst du an systematischen Mustern: Mitarbeiter haben Angst, Fragen zu stellen, fühlen sich nach Gesprächen kleiner und entschuldigen sich für Dinge, für die sie nicht verantwortlich sind.
Was sind die häufigsten Arten toxischer Chefs?
Die häufigsten Typen sind: Mikromanager, Choleriker, Gaslighter, Narzissten und Manipulatoren. Jeder Typ nutzt andere Strategien, um Macht auszuüben.
Wie schütze ich mich vor toxischer Führung?
Systemverständnis ist der beste Schutz. Dokumentiere problematisches Verhalten, baue strategische Netzwerke auf und entwickle Alternativen.
Warum entstehen toxische Führungskräfte?
Toxische Führung entsteht durch Systeme, die die falschen Eigenschaften belohnen: Lautstärke statt Kompetenz, Umsatz statt Menschlichkeit.
Sollte ich bei toxischer Führung kündigen?
Das hängt von der Situation ab. Wichtig ist, strategische Optionen zu entwickeln und die eigenen Grenzen zu kennen.

Fazit: Toxische Führung verstehen und überwinden
Toxische Führung ist kein Einzelschicksal. Sie ist das Ergebnis von Strukturen, Kulturen und Anreizsystemen.
Diese Erkenntnis ist befreiend: Wenn du die Muster verstehst, kannst du sie vorhersehen und entsprechend handeln.
Du musst toxische Führung nicht allein bewältigen. Du musst auch nicht das ganze System reparieren. Aber du kannst verstehen, wie es funktioniert – und dich entsprechend positionieren.
Die nächsten 20 Berufsjahre sind zu wertvoll, um sie in Strukturen zu verbringen, die dich kleinmachen.
Erkennst du toxische Führung in deinem Umfeld?
Als jemand, der diese Systeme 20 Jahre lang von innen erlebt und schliesslich verlassen hat, weiss ich: Du bist nicht das Problem. Aber du kannst Teil der Lösung sein – für dich selbst.
In einem kostenlosen Strategiegespräch schauen wir gemeinsam:
- Welche toxischen Führungsmuster erkennst du in deinem Umfeld?
- Wie kannst du dich strategisch vor toxischer Führung schützen?
- Wann ist es Zeit für Veränderung bei toxischen Chefs?
- Wie stärkst du deine Position gegen toxische Führung?
👉🏻 Für Frauen, die erkennen: „Ich verdiene eine Arbeitsumgebung ohne toxische Führung.“
Und die bereit sind herauszufinden, wie sie diese finden können.